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Zur Dienstleistungstagung 2019 „Service Systems Innovation“

Auch wenn noch der 9.April und damit ein halber Tagungstag noch offen steht, will ich einige Bemerkungen zu dieser guten Tagung machen. Jede Tagung bringt Beiträge, die man erwartet hat und  Beiträge, die überraschen. Die Überraschung war für mich das „Grußwort“ - so die Tagungsankündigung - des BMBF. Aber das was der zuständige Abteilungsleiter der Abteilung 5, Wulf-Dieter Lukas, vorbrachte, war kein Grußwort, sondern eine politische Grundsatzerklärung zur Dienstleistungsforschung, die ich einfach nicht erwartet habe. Dienstleistungsökonomie als eigenständigen Bereich, der ein Narrativ wie „Industrie 4.0“ entwickeln muss, um sich durchzusetzen. Doch das Umwerfende für mich war der Zusammenhang zwischen Wachstum und Gini-Koeffizient. Unter der Überschrift „Die Gesellschaft mitnehmen“ forderte Lukas eine Innovationspolitik, die zwar Wachstum fördert, aber gleichzeitig den Gini-Koeffizienten konstant hält oder senkt, also die Schere zwischen Armut und Reichtum schliesst. Ein wirklich guter Ansatz, der jetzt nur noch in Forschungspolitik umgesetzt werden muss. Wie schwierig das ist, zeigt sich, wenn man die Vorträge von Christoph Schmitz (Ver.di) zur Dienstleistungspolitik und den Doppelvortrag von Christoph Bornschein und Andreas Boes zur "Dienstleistung in der Innovationsökonomie" gegenüberstellt. Schmitz, der darum kämpft, eine Dienstleistungspolitik durchzusetzen, die Menschen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt; dagegen Bornschein/ Boes, die über Plattformen im offenen Raum sprechen. Erst in der letzten Minute ihres Gesprächs bemerken sie, dass da noch Menschen sind, die man berücksichtigen sollte. Die Kluft zwischen einer gewerkschaftlichen Dienstleistungspolitik und einem Ansatz der Informationsökonomie, der sich implizit noch immer am alten Industriemodell orientiert, konnte nicht größer sein. Was mich bei der Informationsökonomie am meisten irritierte, war das Schweben im luftleeren Raum. Klar, eine prozyklische Marktgestaltung ist nicht da. Das ist bekannt, aber was ist zu tun. Ökosystemansatz klingt auch gut, Schnittstellen nach aussen auch, Teilen von Daten gewinnt an Wert, alles ist bekannt, aber auch die Probleme sind bekannt. Mit Teilen von Daten gewinnt Facebook sicher an Wert, aber ob ich als Person einen Benefit erhalte? Das Schlagwort vom „Teilen der Daten“ sollte in letzter Zeit mit mehr Vorsicht gehandhabt werden. Leider so muss ich sagen, löst der Ansatz der Informationsökonomie nicht den Anspruch ein, den Schmitz fordert, wenn der Zusammenhang zwischen einem handlungsfähigen Staat, einem auskömmlich ausgestatteten öffentlichen Dienst, qualitativ hochwertigen Dienstleistungen, Guter Arbeit und einer entsprechenden Finanz-, Wirtschafts-, Forschungs- und Strukturpolitik konsequent in den Blick genommen werden muss, um so zu mehr Wohlstand, Lebensqualität und sozialem Zusammenhalt beizutragen.

 

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