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Arbeit zu Menschen – Menschen zur Arbeit

Unter dem Titel „CoWin – Entwicklung und Erprobung eines mit „virtual-reality-Technologie“ gestützten Coworking-Modells für Berufspendler“ begann 2018 – also vor der Covid-Pandemie – ein vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördertes Modellprojekt. Das fiab in Gelsenkirchen koordiniert das Vorhaben. Handlungsempfehlungen und Praxishinweise sind in der TRANSITION 1/2021 veröffentlicht.

Transition 2021 2Das Vorhaben ist vor der Covid-Pandemie mit der extensiven Nutzung des „Home-Office“ entstanden und zwar innerhalb des Förderprogramms „Umbau 21 – Smart Region, Initiative zur Digitalisierung der Emscher-Lippe-Region“. Sie ist also eher von mobilitäts- und raumplanerischen Initiativen geleitet als von Rationalisierungsinitiativen von Unternehmen, wie sie im Rahmen der Pandemie geäussert wurden. Sie ist ausserdem „angebotsorientiert“, d.h. es geht um die „Dienstleistung Co-Working-Space“.

Zunächst erscheint es, als ob die „Dienstleistung Co-Working-Space“ auf einer Linie zwischen Home-Office und Arbeit im Unternehmen liegt. Sozusagen ein Weltkind in der Mitten. Doch schon im Titel „Dienstleistung Co-Working-Space“ zeigt sich, dass sich eine Dienstleistung zwischen das Unternehmen und seine Beschäftigten schiebt. Ein Prozess, der aus der Plattformökonomie hinreichend bekannt ist. Dies ist aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht sehr bedeutsam, denn es geht ja nicht um eine einfaches „Oursourcing“ oder den Aufbau einer „Lieferkette“.

Auch aus arbeitswissenschaftlicher Sicht tun sich Fragen auf, die von den Projektbeteiligten unter der zu kurz gefassten Handlungsempfehlung „Community aufbauen – Leitidee formulieren“ (S. 30) gesehen werden. Gehen wir zu den Wurzeln zurück. (Lohn)arbeitstätigkeit ist ein bewusstes, zielgerichtetes Handeln. Zusammen mit dem „Produkt“ formt sich die Persönlichkeit. Das Ziel wird durch die Arbeitsaufgabe, zusammen mit den Arbeitsbedingungen, vorgegeben und vom Arbeitenden nach eigener Interpretation übernommen[1]. Im Home-Office besteht eine 1-1-Beziehung zwischen Arbeitendem und Arbeitgeber. Ausserdem sind die soziale Komponente ausgeschlossen und die Arbeitsbedingungen reduziert. Im Co-Working-Space besteht dagegen eine 1-n-Beziehung. Zum einen zum Arbeitgeber, der die Arbeitsaufgabe festlegt, zum anderen zum Dienstleistungsunternehmen, das die Arbeitsbedingungen sehr stark bestimmt. Eine Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch den Beschäftigten zugunsten des Arbeitsauftrages dürfte schwierig werden, da sie durch vertragliche Bedingungen zwischen Arbeitgeber und Dienstleister[2] definiert werden. Die Wirkungen der sozialen Komponente für das Arbeitshandeln werden oft unterschätzt. Durch die Ausrichtung der betrieblichen Gruppe auf ein gemeinsames Ziel hat unterstützende und formende Wirkungen auf das Arbeitshandeln. Die Projektbeteiligten sehen sehr deutlich, dass diese Komponenten im Co-Working-Space fehlen. Sie schlagen „unverbindlich formulierte Leitideen“ und einen „Kümmerer“ (S. 31) vor, der vom Dienstleister gestellt werden soll. Wobei ihnen dann auch die Problematik der Finanzierung sehr deutlich wird.

So schön die Idee „Arbeit zu den Menschen statt Menschen zur Arbeit“ ist, desto deutlicher wird aber auch, dass rein technische Lösungen (virtual-reality; schnelles Internet; Videokonferenzen etc.) nicht ausreichen, um eine zufriedenstellende Lösung zu erreichen. Neue Formen der Organisation und neue Formen der Arbeit sind auch unter einer sozial-ökologischen Zielsetzung nur schwer zu schaffen.

 

[1] Nach Hacker, W.: Arbeitspsychologie, Hans Huber; Bern (1986, S. 57).

[2] Zu Fragen der Gefährdungsbeurteilung: https://www.verdi-gefaehrdungsbeurteilung.de/page.php?view&lang=1&k1=main&k2=strategieakteure&k3=mobilesarbeiten&k4=mobilbasics

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