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Neue Erkenntnisse der Kommission „Arbeit der Zukunft“

Von der im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung (HBS) gebildeten Kommission „Arbeit der Zukunft“ wurden im Berichtszeitraum (seit 2015) einige Überblicksartikel (von Allmendinger, Vogel und Hoffmann/Suchy) veröffentlicht. Seit Februar 2017 liegen mittlerweile darüber hinaus als Miniserie 7 (von 8 geplanten) sog. „Dossiers“ zum Thema Digitalisierung vor. Autor ist Siegfried Timpf.

Die Miniserie dient einer Gesamteinschätzung der Folgen und Implikationen des Digitalisierungsprozesses, der seit geraumer Zeit in der gesamten Weltwirtschaft Fahrt aufnimmt. Dabei interessiert hier der zweite Aspekt der Digitalisierung (und wir sehen vom ersten ab, der bloßen Aufbereitung von Information in digitale Daten für die Produktionssphäre: Internet der Dinge/Industrie 4.0): Digitalisierung als ein Prozess des sozioökonomischen Wandels. Sehr zu Recht stellt der Autor fest, dass der Prozess der Digitalisierung sowohl den Menschen als auch ihren gesellschaftlichen Institutionen weit voraus ist, d.h. Gesellschaft und Politik hinken der Entwicklung gegenwärtig mehr oder minder hilflos hinterher. Das ist die zentrale Botschaft des ersten Teils.

Digitalisierung bedeutet letzten Endes gerade auch Veränderung der Arbeitsbedingungen. Verkürzend stellt der Beitrag fest, dass die Tendenz im Wesentlichen darin bestehe, den Arbeitsprozess von einem bestimmten Arbeitsort zu lösen. Und der Beitrag schließt mit der grafischen Darstellung eines „Narrativs der digitalen Transformation“, bei dem die Aufgabe der Politik in einer „Gestaltung der Folgen bei gesellschaftlicher Ungleichheit“ bestehe.

Der zweite Beitrag behandelt die historische Dimension der Digitalisierung. Eine neue Welt der Arbeit ist der einschlägigen Literatur zufolge zweifellos im Entstehen. Sie unterscheidet sich in vielen Dingen vom Gewesenen (Taylorismus, Fordismus etc.). Ihre Rahmenbedingungen werden von überwiegendem Technikdeterminismus bestimmt, der aus dem Niedergang des Fordismus nichts gelernt hat. Dessen offensichtliche (vorläufige?) Stärke liegt aber im Verhältnis von tatsächlicher technologischer Entwicklung und Wahrnehmungsweisen in der Öffentlichkeit, gekoppelt an alltagspraktische Wirksamkeit. Etwas verwickelt ausgedrückt beschreibt das den Umstand, dass die Analyseebene der sozialen Innovation in diesen Diskurs sozusagen immer schwerer eingeschleust werden kann.

Der dritte Teil widmet sich der Dynamik der Digitalisierung. Es wird bei gewissen Autoren die Möglichkeit einer „inklusiven“ Gestaltung der Digitalisierung erörtert. Das bedeutet eine sozialverträgliche Variante der radikalen Umformung. Undeutlich und unklar ist die Diskussion der Anwendung von sog „Hype Cycles“ (einem wissenschaftlichen Analysemodell) und deren Risiken.

Erst im vierten Teil werden die Beschäftigungsrisiken erörtert, die durch die Digitalisierung entstanden sind und weiter entstehen. Befürwortet wird eine langfristige Umverteilung der zu erwartenden Produktivitätsgewinne. Der Hoffnung auf eine sozialverträgliche Umverteilung der Risiken – für die USA werden bekanntlich Arbeitsplatzverluste in hohem Ausmaß vorhergesagt (Frey/Osborne), für Deutschland haben verschiedene Studien vorsichtig Entwarnung signalisiert – steht ein „schmutziges Geheimnis“ (Timpf IV, S. 4) entgegen: es gibt keine Garantie dafür, dass es keine Verlierer (und damit keine erheblichen Verluste an Beschäftigungsmöglichkeiten bzw. Berufsprofilen) geben wird. Und gewarnt wird, dass eine Überschätzung der Gestaltungsspielräume in Bezug auf Gender und Macht zu Illusionen einlädt.

Der fünfte Teil beschäftigt sich mit dem Internet und seinen Implikationen. Fragen des Open Access und der Aneignung von Ergebnissen staatlich geförderter Forschung sind hier interessante Ausweitungen der gut referierten Grundinformationen. Ausführungen zu „Vermachtungstendenzen“ sind dabei etwas vage gehalten. Da wüsste man gern mehr. Unterschiedliche Konzepte von „Netzen“ werden – in Auseinandersetzung mit u.a. Castells - in ihrer Bedeutung als Metaphern erläutert. Erhellend ist eine Aufstellung von anstehenden politischen Forderungen, die im Zusammenhang mit der zukünftigen Entwicklung von Arbeit „essentiell“ sind, so die Bestimmung des Verhältnisses von staatlichen Investitionen und Innovationen und (der) Einfluss auf ein staatliches „Mission Building“, das im Kern mit der Verknüpfung von Technologie und sozialer Gestalt bereits angelegt ist, die Verhinderung einer nahezu vollständigen privaten Aneignung der Ergebnisse staatlicher Risikofinanzierungen und stattdessen Teilrückführung in Prozesse, in denen experimentell verschiedene Varianten technologischer Entwicklung und sozialer Gestaltung im Zusammenhang erprobt werden, sowie die Beeinflussung von gesellschaftlich geformten Prozessen im Interesse derjenigen, die in den Arbeitsprozessen am schwächeren Hebel sitzen.

Die übrigen Teile sollen in meinem zweiten Beitrag kommentiert werden. Die bisher vorgestellten Texte machen neugierig auf die wissenschaftspolitischen und politischen Folgerungen und Forderungen, die die Kommission im Juni, wenn sie ihre Arbeit beenden wird, aufstellen und durchsetzen wird.

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