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Digitale Verwaltung: Keine Vorteile für Bürger und Beschäftigte

Im Rahmen eines Kooperationsprojektes der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft und der Friedrich-Ebert-Stiftung haben der Lehrstuhl für öffentliche Verwaltung, Stadt- und Regionalpolitik an der Ruhr-Universität Bochum und der Lehrstuhl für Politikwissenschaft, Verwaltung und Organisation an der Universität Potsdam die Leistungserbringung bei Kfz-Dienstleistungen und Elternleistungen untersucht. Diese beiden Verwaltungsbereiche haben eine vergleichsweise hohe digitale Reife und hohe Nutzungszahlen.

Das Zwischenfazit der Studie hinsichtlich des Nutzens für diedie Kommunen und  Bürger BueroundVerwaltung kleinist eher niederschmetternd:

„Die digitale Vorgangsbearbeitung hat sich in den untersuchten Kommunen teilweise – vor allem im Zuge des Transformationsaufwands – als zeitaufwändiger erwiesen im Vergleich zu Vorgängen mit direktem Kundenkontakt. Dies ist mit zusätzlichen verwaltungsinternen Arbeitsschritten im Rahmen des digitalen Verwaltungsaktes bei i-Kfz zu erklären.“ (S.4) Ob dieser Mehraufwand durch die später angesprochene höhere Zahl der Bearbeitungsvorgänge aufgefangen wird, bleibt fraglich! Ebenso bleibt fraglich, ob nicht bei einer Gesetzesänderung die Software entsprechend flexibel ist.

„Aber auch für die Bürger_innen ist die unkomplizierte Antragsstellung vor Ort oft schneller und servicefreundlicher als die nach wie vor als kompliziert und zeitaufwändiger angesehene Onlineantragsstellung“ (S.4) Also auch keinen Nutzen für die Bürger und Bürgerinnen. Verzweifelt schreiben die Autoren und Autorinnen, dass es vielleicht für die Bürgerschaft in Großstädten wegen der langen Wartezeiten und einer jüngeren, digital affinen Bevölkerung Vorteile geben könnte. Warum eine Großstadt wie Berlin die digitale Verwaltung besser organisieren kann als die „normale“ Verwaltung bleibt unklar. Das Argument der „digital affinen Bevölkerung“ wird seit über 20 Jahren gebracht. Eigentlich müssten die 40jährigen Menschen also affin genug sein.

Auch bei den Beschäftigten ergeben sich keine Fortschritte:

„Eine problematische Auswirkung der Digitalisierung auf die Beschäftigten ist darin zu sehen, dass digitalisierungsbedingte Arbeitsentlastungen bisher nicht in digitale Renditen für die Beschäftigten übersetzt wurden und diese somit (noch) nicht von den Vorteilen der Digitalisierung profitieren. So wird etwa für den Kfz-Bereich berichtet, dass die Digitalisierung zwar zu Erleichterungen und Vereinfachungen führt, sich aber gleichzeitig der Aufgabenumfang in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt hat, während der Personalbestand unverändert blieb. Somit „verpufft“ die potenzielle digitale Rendite aufgrund parallel stattfindender Prozesse, insbesondere von Arbeitsverdichtung und -zuwachs, bei gleichbleibendem Personal.“ (S.4 ff). Nach über 40 Jahren Digitalisierung in der Verwaltung glauben die Autoren und Autorinnen noch immer, dass es eine „digitale Rendite“ für die Beschäftigten geben wird. Woher sie diesen „Kinderglauben“ nehmen, bleibt unklar.

Das Fehlen von Qualitätsfortschritten, sowie die Erhöhung der Arbeitsbelastungen müsste eigentlich zu einer generellen Überprüfung der Digitaliserungskonzeptionen in der Verwaltung führen. Dies ist aus unterschiedlichen Gründen, die möglicherweise auch bei den finanziellen Interessen der Anbieter von digitaler Technik liegen – aber nicht der Fall.

Die Veröffentlichung findet sich unter: https://www.fes.de/abteilung-analyse-planung-und-beratung/artikelseite-apb/buergernahe-verwaltung-digital