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TTIP & CETA: Konzerne übernehmen Aufgaben der Politik

Am 10.10.2015 demonstrierten 250 000 Bürger gegen die Handels- und Investitionsabkommen TTIP und CETA. Sie folgten dem Aufruf eines Trägerkreises, dem zahlreiche Gewerkschaftsorganisationen und NGO´s wie attac, campact, WWF, Deutscher Kulturrat, NABU, foodwatch, Brot für die Welt, GREENPEACE, OXFAM usw. angehörten.

Diese Organisationen haben sich trotz aller Behinderungen intensiv und inhaltlich mit den Abkommen auseinandergesetzt und stellen fest:

„Wir brauchen soziale und ökologische Leitplanken für die Globalisierung. Doch TTIP und CETA gehen in die falsche Richtung: Der `Wert´des Freihandels wird über die Werte ökologischer und sozialer Regeln gestellt. Sonderrechte für Investoren und Investor-Staats-Schiedsverfahren gefährden parlamentarische Handlungsfreiheiten. TTIP und CETA setzen öffentliche und gemeinnützige Dienstleistungen und Daseinsfürsorge, kulturelle Vielfalt und Bildungsangebote unter Druck. Sie ziehen die falschen Lehren aus der Finanzkrise, stärken internationale Konzerne und schwächen kleine und mittelständische Unternehmen, auch in der Landwirtschaft. TTIP und CETA grenzen die Länder des globalen Südens aus, statt zur Lösung globaler Probleme wie Hunger, Klimawandel und Verteilungsgerechtigkeit beizutragen.“

Es sind diese Organisationen, die seit Jahrzehnten zu Recht über die Gefahren und Folgekosten der Atomenergie, der Umweltverschmutzung, der Machtzunahme der Konzerne, ihrer Lobbyisten und think tanks auf Politik und Gesellschaft sowie einer ungerechten Verteilungspolitik und Weltwirtschaftsordnung aufklären.

Wie reagieren Regierungsparteien und Medien, die so oft die „westlichen Werte“ zitieren und rühmen, auf die Kritik an den Freihandelsabkommen?

Da sie keine Gegenargumente haben, scheuen sie die Auseinandersetzung, verschweigen den drohenden Abbau des parlamentarischen und des öffentlichen Rechts und verlegen sich auf Beschwichtigen oder Diffamieren. Hier einige Beispiele:

  • Am Tag vor der Demonstration verspricht SPD-Wirtschaftsminister Gabriel in ganzseitigen Zeitungsanzeigen den Kritikern: „Das Ziel sind ambitionierte Umwelt- und Verbraucherstandards sowie faire Bedingungen für Investitionen und Arbeitnehmer“.
  • SpiegelOnline, 21.10.: Die Bundeskanzlerin Merkel startet bei der IGMetall eine Charmeoffensive in Sachen TTIP: „Mit dem Freihandelsabkommen kann man die Globalisierung vernünftig gestalten; zum ersten Mal wird über Verbraucher- und technische Standards gesprochen“.
  • Frankfurter Rundschau (FR), 12.10.: Michael Fuchs, stellvertretender Unions-Fraktionschef, sagt der FR: „Als Exportnation Nummer 1 in Europa und Nummer 2 der Welt können wir uns nicht leisten, dagegen zu sein“.
  • Stefan Sauer analysiert am 15.10. in der FR: Um Preiskrisen abzuwenden, exportiert die EU subventionierte Agrarprodukte; das zerstört vor allem Märkte in Afrika und untergräbt Entwicklungshilfe. CSU- Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt setzt seit Jahren auf verstärkte Ausfuhren, um den deutschen Milchbauern zu helfen.
  • Am 29.10. schreibt die Süddeutsche Zeitung: „Lammert droht mit `NEIN´ zu `TTIP´“; Lammer erklärte: „Ich halte es für ausgeschlossen, dass der Bundestag einen Handelsvertrag zwischen der EU und den USA ratifizieren wird, dessen Zustandekommen er weder begleiten noch in alternativen Optionen beeinflussen konnte.“
  • Am 12.10. nach der friedlichen Demonstration schreibt Kai Pfund im Generalanzeiger der Stadt Bonn: „Der zunehmend hysterische Ton der TTIP-Gegner ist jedenfalls fehl am Platz. Übrigens: In keinem anderen EU-Land ist der Widerstand gegen das Abkommen so groß wie in Deutschland, dessen Wirtschaft mutmaßlich am stärksten profitieren würde. Widersinniger geht’s wohl kaum.“

Josef Joffe, Mitglied in atlantischen Lobby-Organisationen und Mitherausgeber der ZEIT, schreibt hier am 22.10.: Freihandel ist gut und böse. Gut für Abermillionen von Verbrauchern, die dadurch fallende Preise erwarten dürfen. Gut auch für leistungsstarke Firmen und ihre Arbeiter, die mehr im Ausland verkaufen können. Schlecht sind die Abkommen für alle Nicht-so Tüchtigen.“

Am Tag der Demonstration empfiehlt Andreas Fischer-Lescano, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Völkerrecht an der Universität Bremen, in der FR das gerade erschienene Buch „Der Unfreihandel. Die heimliche Herrschaft von Konzernen und Kanzleien“ von Petra Pinzler: „Das Buch ist ein ernstzunehmender, kritischer und auch wissenschaftlich fundierter Blick auf die europäische Handelspolitik. … Die Abkommen sind das Sinnbild einer entfesselten Marktwirtschaft auf der globalen Ebene, in deren ökonomischen Verwertungsketten die Menschen auf der Strecke bleiben.“

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