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Kolumne Klaus Zühlke-Robinet

Geschrieben von Klaus Zühlke-Robinet

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Die CeBIT ist immer gut für große Auftritte. Wurde dort vor Jahren „Industrie 4.0“ aus der Taufe gehoben, so war es dieses Jahr „Smart Service Welt“. Diese Studie – gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – wurde unter Regie von acatech (Deutsche Akademie für Technikwissenschaften) erstellt, herausgegeben und auf der CeBIT 2015 dem Förderer übergeben. Ein Zwischenbericht wurde in 2014 der Fachöffentlichkeit vorgelegt, zwischenzeitlich tagten unter Beteiligung vieler (großer) Unternehmen, Verbänden wie BDI, BITKOM, DIHKT, IG Metall, IG BCE, ver.di und der Wissenschaft (z. B. Fraunhofer Gesellschaft, KIT, DFKI) verschiedene Arbeitskreise.

Im Bericht geht es um die Vision „Smart Service Welt 2025“. Ziel ist es, „eine digitale Führungsrolle im internationalen Wettbewerb“ übernehmen zu wollen. Es folgen sechs Anwendungsbeispiele, ein Kapitel geht ausführlich auf Sicherheitskonzepte für digitale Plattformen ein. Dem „Kulturwandel in Unternehmen und Arbeitswelt“ wird ein eigenes Kapitel gewidmet, das Abschlusskapitel nimmt „innovationsorientierte Rahmenbedingungen“ in Deutschland und Europa unter die Lupe.

Schon im Vorwort der Studie klingt an, in welcher Welt wir leben werden: „Eine Welt, in der wir keine Produkte und Dienstleistungen von der Stange kaufen, sondern über das Internet individuell konfigurierbare Pakete aus Produkten, Dienstleistungen und Diensten: Smart Services. (…) Im Mittelpunkt steht der Nutzer mit seinen Vorlieben und Bedürfnissen etwa als Verbraucher, Mitarbeiter, Bürger, Patient oder Tourist. Die neuen datengetriebene Geschäftsmodelle erfordern flexible Vernetzung und weitgehende automatisierte Kollaboration in digitalen Ökosystemen. Zentrale Voraussetzung, damit sich diese bilden können, sind digitale Plattformen.“ „Smart Service Welt“ — so heißt es — schließt unmittelbar an die „Vision der Industrie 4.0“ und bietet nun das noch fehlende Glied zur Runderneuerung der gesamten Wertschöpfung. Baustein für Baustein wird zu einem komplexen Gebäude einer sich autonom organisierenden Wertschöpfung zusammengefügt. Digitale Plattformen, Selbstoptimierung der Wertschöpfungsprozesse, Fernzugriff der Menschen in die Prozesse vor Ort, Pay per Use, Everything as a Service, der Platz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist verantwortungsvoll und selbstbestimmt — so lauten zentrale Bausteine für unsere zukünftige Welt der Produktion.

Der Blick in die Studie lohnt sich, wobei für Arbeitsforschung nicht nur das Kapitel „Organisation: Kulturwandel in Unternehmen und Arbeitswelt“ interessant ist. Dort geht es zweifellos um zentrale Handlungs- und Regelungsfelder wie Mitbestimmung und Mitbestimmungsrechte oder Standards für Crowdarbeit. Doch die Arbeitsforschung muss den Bauplan für Industrie 4.0 und „Smart Service Welt“ verstehen, um an den zentralen Punkten ihren Einfluss auf die Gestaltung zukünftiger Wertschöpfungsstrukturen geltend machen zu können. „Smart Service Welt“ ist keine „Schöne neue Welt“, sondern es geht (weiterhin) etwa um die Definition von Einflusszonen, um Interessenpolitik und –durchsetzung, kollektive Vertretungsrechte, soziale Integration, Verteilungsgerechtigkeit und nicht zuletzt um Beruflichkeit, Akademisierung der Arbeit oder den Grad der Kommodifizierung der Arbeitskraft. Um den Code der „Produkt-Service-Integration“ erfassen, bewerten und gestalten zu können, ist es erforderlich, Arbeitsforschung aus einem Guss über Fachdisziplingrenzen hinweg zu betreiben. Damit hat Arbeitsforschung ein anspruchsvolles Anwendungsfeld vor sich.

Link zu „Smart Service Welt“:

http://www.acatech.de/de/aktuelles-presse/presseinformationen-news/news-detail/artikel/aufholen-im-digitalen-wettlauf-arbeitskreis-smart-service-welt-uebergibt-bericht-an-sigmar-gabri.html

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